kvl-homepage Organisierte Kriminalität: Definitionen

Die offizielle bundesdeutsche Definition organisierter Kriminalität aus dem Jahre 1990, Anwendungshinweise, Kommentare und Anmerkungen zu dieser Definition sowie eine Sammlung weiterer mehr als 20 deutschsprachiger OK-Definitionen in chronologischer Reihenfolge, zusammengestellt von Klaus von Lampe.

(Eine umfassende Sammlung englischsprachiger Definitionen ist ebenfalls verfügbar)



Die offizielle OK-Definition (Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz/Polizei, 1990/RiStBV 1991)
Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a)unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b)unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
c)unter Einflußnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft
zusammenwirken.
Der Begriff umfaßt nicht Straftaten des Terrorismus.
Die Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität sind vielgestaltig. Neben strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen (häufig zusätzlich abgestützt durch ethnische Solidarität, Sprache, Sitten, sozialen und familiären Hintergrund) finden sich - auf der Basis eines Systems persönlicher und geschäftlicher kriminell nutzbarer Verbindungen - Straftäterverflechtungen mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander, deren konkrete Ausformung durch die jeweiligen kriminellen Interessen bestimmt wird.

Quelle: Anlage E, Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in der ab 01.05.1991 bundeseinheitlich geltenden Fassung



Hinweise zur Entstehungsgeschichte der Definition:

Klaus von Lampe, Geschichte und Bedeutung des Begriffs 'organisierte Kriminalität', in: M. Tzanetakis, H. Stöver (Hrsg.), Drogen, Darknet und Organisierte Kriminalität, Baden-Baden: Nomos, 2019, S. 23-49)



Hinweise zur Verwendung des Begriffs 'organisierte Kriminalität' in Gesetzgebung, Rechtsprechung und rechtswissenschaftlicher Literatur hier: 'Organisierte Kriminalität' als Rechtsbegriff


Hinweise zur praktischen Anwendung der Definition:

Die Definition OK umfasst strafrechtliche, soziologische, psychologische und ökonomische Elemente. Sie stellt keinen materiell-strafrechtlichen Normenbegriff dar. Sie ist in zwei Teile gegliedert: Die generellen Merkmale und die spezifischen Merkmale der Alternativen a) bis c).

Generelle Merkmale:
- Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind
- Gewinn- oder Machtstreben
- auf längere oder unbestimmte Dauer
- Arbeitsteiligkeit
- Zusammenwirken von mehr als zwei Beteiligten
- planmäßige Begehung

Spezielle Merkmale:
Erst die speziellen Merkmale der Alternativen a) bis c) qualifizieren organisiertes kriminelles Verhalten zu Organisierter Kriminalität. Im Verhältnis zueinander können diese Merkmale einzeln oder kumulativ gegeben sein.
Für die Bestimmung "OK" ist nicht erforderlich, dass beide Merkmalsgruppen sachlich und zeitlich in einem zur Bewertung anstehenden Sachverhalt zusammenfallen. Eine einzelne noch fehlende Merkmalsgruppe kann sich auch aus anderen, zeitlich zurückliegenden Feststellungen der Strafverfolgungsbehörden herleiten lassen.
Wesentlich ist, dass der im Einzelfall angestrebte Tatzweck erreicht und/oder der Fortbestand und die Wirksamkeit der Organisation gesichert werden sollen. Darin liegt die besondere Gefährlichkeit der OK; die kriminalpolitische Zielsetzung besteht darin, mit adäquaten Bekämpfungsmaßnahmen die Etablierung und Verfestigung der kriminellen Strukturen in Teilbereichen der Gesellschaft zu unterbinden.

Grundsätzlich unproblematisch ist die Anwendung der Definition auf Sachverhalte, bei denen die Ermittlungen ganz oder weitgehend abgeschlossen sind.
Um OK zu bejahen, müssen die generellen Merkmale gegeben sein und zumindest die speziellen Merkmale einer der Fallgruppen a) bis c) vorliegen.
Bei der Untersuchung der speziellen Merkmale kann sich als problematisch erweisen, dass solche bereits Tatbestandsmerkmale der Straftatbestände darstellen. In eine Überprüfung dieser Merkmale ist im einzelnen nicht erneut einzutreten:
Wird nämlich bei der Beurteilung der zugrunde liegenden Straftaten die Nutzung geschäftsähnlicher Strukturen, z. B. von Betrieben oder Unternehmen bei wirtschaftskriminellem Verhalten, oder die Gewaltanwendung, z. B. bei der Durchführung einer Raubtat, festgestellt, so reichen diese tatbestandlichen Verhaltensweisen allein nicht aus, auch gleichzeitig die speziellen Merkmale für OK zu bejahen. Hierzu sind zusätzliche Feststellungen zu OK-typischen Verhaltensweisen im Sinne der speziellen Merkmale a) bis c) erforderlich.
Sind diese Verhaltensweisen nicht feststellbar, werden selbst schwerwiegende Straftaten nicht zur Organisierten Kriminalität; es handelt sich zwar um geplant vorbereitete und durchgeführte Straftaten, aber nicht um OK im Sinne der Definition.

Problematisch sind diejenigen Fälle, bei denen deutliche Hinweise auf OK-Hintergründe (noch) nicht erkennbar sind
Es gibt z.B. im Diebstahlsbereich eine Fülle von Delikten, die für sich allein keine OK bilden. Dennoch können diese Taten, z.B. bezogen auf eine organisierte Verwertung der erlangten Güter, durchaus einen gemeinsamen OK-Hintergrund haben. Zur Beschreibung des "Tatbildes" sind dann alle aus der Auswertungstätigkeit resultierenden Informationen zusammenzufassen und die personenbezogenen Informationen zusätzlich aufzubereiten.
Beim personen- oder gruppenbezogenen Ansatz liegen zur Tatseite regelmäßig noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte (im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO) vor, so dass die generellen Merkmale zunächst zu verneinen sind. Ungeachtet dessen weisen die personenbezogenen Erkenntnisse auf OK hin.

Quelle: Zentrales Koordinationsbüro der Mitteleuropäischen Polizeiakademie (Hrsg.), MEPA-Buch, Wien, 2003 (online-Fassung)


Kommentare und Meinungen zur offiziellen OK-Definition:

Wie sehr es sich hier um eine Nicht-Definition handelt, zeigt sich schon allein daran, daß in einem einzigen Satz siebenmal das Wort "oder" auftaucht. (Heiner Busch in: Demokratie und Recht 4/1992, S. 382)

Diese Definition ist selbst Eingeweihten nur in glücklichen Stunden verständlich, und man tut sich da sehr schwer. (Hans-Ludwig Zachert [BKA-Präsident] in: Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, Rechtsausschuß, Protokoll der 95. Sitzung des Rechtsausschusses am Mittwoch, dem 27. Oktober 1993, 14.00 Uhr, S. 11)

Die in der heutigen Praxis verwandte Definition grenzt die Organisierte Kriminalität... nicht ein, da die einzelnen Merkmale mit der Konjunktion "oder" verknüpft werden. Sie versucht vielmehr, möglichst alle denkbaren Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität in einem Grobraster zu erfassen, ohne bestimmte Erscheinungsformen von vornherein auszuschließen. Die Definition wird somit ihrem Hauptanliegen weitgehend gerecht, das nicht in der Schaffung eines neuen Straftatbestandes liegt, sondern in der einheitlichen Bezeichnung einer als besonders gefährlich angesehenen Kriminalitätsform für die Zwecke der Verbrechensbekämpfung. (Ulrich Sieber, Marion Bögel, Logistik der Organisierten Kriminalität, Wiesbaden 1993, S. 31)

Die Funktion der Konsensbildung in den beteiligten Strafverfolgungsbehörden erfüllt die Definition bei disziplinierter Anwendung grundsätzlich. Sie ist Leitlinie für Polizei und Staatsanwaltschaft. In entscheidenden Bereichen ist sie aber offen, somit der Kritik zugänglich und verbesserungsfähig. (...)
Daß den Anwendern der bisherigen OK-Definition eine "Gebrauchsanweisung" an die Hand gegeben werden mußte, die vierzehn Seiten und mehrere Anlagen umfaßt, indiziert ein Bestimmtheitsdefizit und das Fehlen einfacher Erklärungsmuster. Es schafft Glaubwürdigkeitsprobleme insbesondere für die Polizei. (Bernhard Falk [BKA-Vizepräsident], in: Kriminalistik 1/ 1997, S. 17).

(D)er Gesetzgeber (hat) unter Zugrundelegung des (45) kriminologischen Erscheinungsbildes die strafprozessualen Maßnahmen zum einen an bestimmte Deliktsgruppen, die als bevorzugte Betätigungsfelder der organisierten Kriminalität gelten, und zum anderen an bereits im Straf- und Strafprozeßrecht bekannte Begehungsarten und -formen, die für die organisierte Kriminalität typisch erscheinen, angeknüpft. Dieser Weg ist nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, daß das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit es dem Gesetzgeber zur Pflicht macht, Eingriffsvoraussetzungen so exakt zu umschreiben, daß Willkür der Strafverfolgungsorgane ausgeschlossen und der zulässige Eingriff für den Bürger voraussehbar und berechenbar ist. Ob die in den Gesetzesmaterialien enthaltene Definition diesen Anforderungen genügt, erscheint angesichts ihrer Weite zweifelhaft. Auf der anderen Seite würde eine starre Definition, bei der die Konturen der Organisationsstruktur deutlich herausgearbeitet wären, zwar den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügen, die Vielschichtigkeit des Sozialprozesses organisierte Kriminalität mit seinen strafrechtlichen, sozialpsychologischen und politischen Aspekten aber nicht mehr abbilden. Einer solchen Abbildung bedarf es aber, weil eine an bestimmte Deliktsgruppen und Begehungsarten orientierte Auswertung des Kriminalitätsgeschehens einen umfassenden Überblick über das Ausmaß der organisierten Kriminalität nicht erbringen kann. Die Besonderheiten der Kriminalitätsform lassen es demnach geradezu unmöglich erscheinen, eine Begriffsbestimmung der organisierten Kriminalität zu treffen, die das Phänomen sowohl umfassend kriminologisch umschreibt als auch in juristisch eindeutige Merkmale zur Schaffung von Rechtsgrundlagen faßt. Aus diesem Grunde war es naheliegend, daß der Gesetzgeber die Begriffsbestimmung der organisierten Kriminalität zwar den Gesetzesmaterialien als Arbeitsgrundlage zugrundegelegt, sie aber bei der Schaffung der Rechtsgrundlagen gesetzlich nicht festgeschrieben hat. (Walther Graf, Rasterfahndung und organisierte Kriminalität. Mönchengladbach: Forum-Verl. Godesberg, 1997, S. 44-45)

Die mehrfache Unschärfe macht die Definition für eine exakt abgrenzende Kennzeichnung Organisierter gegenüber nicht organisierter Kriminalität wertlos. (Norbert Pütter, Der OK-Komplex, Münster 1998, S. 284)

Insbesondere das spezielle Merkmal "gewerbliche oder geschäftsähnliche Strukturen" lässt weite Auslegungsspielräume zu und hat zur Folge, dass alltägliche Vorgänge der Logistiknutzung (z.B. Nutzung von Post oder Bahn) als OK-qualifizierendes Merkmal herangezogen werden. (...) Die Anwendung der derzeit gültigen OK-Definition lässt eine Banalisierung der OK zu. Rein grammatikalische Auslegungen führen zu Fehlinterpretationen und liefern Daten, die Zweifel an einer OK-Lage nähren können. Die bisherigen Kontrollen der zentralen Lagedienste haben diese Entwicklung nicht verhindern können. Dort lässt sich ein Problem der Validität und Transparenz vermuten.
In Konsequenz dieser Ergebnisse wäre es angezeigt, eine Definition zu fordern, die eine falsche Auslegung verhindert und welche Elemente OK-begründender Merkmale ausschließt sowie die Umschreibung dessen enthält, was OK in seinen wesentlichen Elementen ausmachen sollte: kriminelle Organisationen mit ausgeprägtem logistischen Potenzial und entsprechender Finanzkraft. Es sind jedoch Zweifel angebracht, ob sich OK überhaupt hinreichend und zweifelsfrei definieren lässt. (Herbert Weigand/Heinz Büchler [LKA Ba-Wü; BKA KI 14], in: Kriminalistik 11/2002, S. 662).

Die Definition ist sehr umfassend. So kann auch eine Diebesbande von drei Personen, die z.B. den Diebstahl und die Verschiebung von Autos ins Auslang organisiert, darunter fallen. Auch ist bemerkenswert, daß sich die Definition von der Beschreibung der Tätigkeit einer legalen Firma nur durch das Merkmal "planmäßige Begehung von Straftaten" unterscheidet. (Jörg Kinzig, in: Angewandte Sozialforschung 1-2/2003, S. 28).

Diese Definition gilt insbesondere wegen der vielen Oder-Verknüpfungen als schwer verständlich; eine eindeutige Anwendung bzw. Auslegung ist nicht möglich. Die Übergänge zwischen der Organisierten Kriminalität und einer gut organisierten Kriminalität sind fließend. Schon deswegen ist die Definition überarbeitungsbedürftig. Außerdem ist im Projektkontext erkennbar geworden, dass die Zuordnung eines Falles zur (117) Organisierten Kriminalität und den entsprechend zuständigen Spezialabteilungen mit den vor Ort verfügbaren Ressourcen zusammenhängt und einzelfallabhängig ist. (Frank Neubacher, Jana Meier, Nicole Bögelein, Bernd Werse, Gerrit Kamphausen, Dirk Egger, Heino Stöver, Niels Graf, Anna Dichtl, Rafael Behr, Svea Steckhan, Handlungsempfehlungen des Forschungsverbundes "Drogen und Organisierte Kriminalität" (DROK). Neue Kriminalpolitik, 29(2), S. 116-117)



Weitere deutschsprachige OK-Definitionen in chronologischer Reihenfolge:

Hans Kollmar, 1974
...das Phänomen der organisierten Kriminalität wird bezeichnet: "durch die Gesamtzahl (nicht die Vielzahl) aller Straftaten, die in einer gewissen Zeit in einem gewissen Raum von jeweils zu einem mehrstufigen System der Über- und Unterordnung dauerhaft zusammengeschlossenen Personenmehrheiten planmäßig begangen worden ist." (Kollmar in: Kriminalistik 1/1974, S. 7)


Fachkommission Organisierte Kriminalität (Boettcher-Kommission), 1974
Der Begriff der organisierten Kriminalität umfaßt Straftaten, die von mehr als zweistufig gegliederten Verbindungen oder von mehreren Gruppen in arbeitsteiligem Zusammenwirken begangen werden, um Gewinne zu erzielen oder Einfluß im öffentlichen Leben zu nehmen. (zit. n. Gemmer in: Kriminalistik 12/1974, S. 530)


Günther Bauer, 1974
Organisierte Kriminalität ist jede Kriminalität, die von einer Personenmehrheit betrieben wird, die sich mit der Absicht der Dauer zusammengeschlossen hat, um von dieser Kriminalität, abgesondert von der Mehrheit der Bevölkerung - als neue Subkultur - zu leben. Es bedarf dazu keiner festen Organisationsstruktur, auch ist - entgegen Kollmar - eine hierarchische Ordnung nicht notwendig.
Die Absicht der planmäßigen Begehung von Straftaten und das Wissen, daß man eine Schicht bildet, die notwendig abgesondert, mehr oder minder illegal, am Rande der Gesellschaft leben muß, genügt durchaus für diese Qualifikation. Und diese organisierte Kriminalität besitzen wir bereits, und zu ihr gehören vielfach auch ausländische Gruppierungen. Sinn einer solchen Definition ist ja, eine verbrecherische Betätigung zu umreißen, deren Bekämpfung neue und sehr unkonventionelle Maßnahmen erfordert - und zur Bekämpfung dieses hier definierten Personenkreises bedarf es dieser neuen und speziell darauf ausgerichteten Ermittlungsmethoden. (Bauer in: Kriminalpolizeiliche Tagespraxis 2/1974, 223)



Hans-Jürgen Kerner, 1974
Organisierte Kriminalität ist ein geordnetes Zusammenwirken mehrerer Personen, die auf Dauer direkt oder indirekt geschäftsmäßig durch Beschaffung und Anbieten von gesetzlich verbotenen oder kontrollierten Produkten oder Leistungen, durch Besitznahme bzw. Kontrolle legaler Unternehmen, durch strafbare Handlungen in Bereicherungsabsicht, durch Anstreben von tatsächlichen Monopolen, durch illegale Methoden regelmäßig verdeckte Gewinne oder Einfluß in Bereiche des öffentlichen Lebens (Wirtschaft, Verwaltung, Politik) zu erlangen suchen.
Methoden sind hierbei Ausbeuten, Erpressung, Drohung, Gewalt, Zwangsschutz, Terror und aktive Bestechung.
Diesem illegalen Streben kommen Bedürfnisse und Nachfragen der Bevölkerung entgegen "(Alkohol, Prostitution, Striptease, Massage, Pornographie, Glücksspiel, Rauschgift, Waffen, Hehlgut, Steuerbetrug)". (zit. n. LKA NRW, Tischvorlage zur 71. Sitzung der AG Kripo am 17./18. September 1975, Anlage, S. 16)



Festschrift "50 Jahre Interpol"
Der Begriff "Organisierte Kriminalität" bezeichnet die kriminelle Tätigkeit strukturierter Organisationen. In seiner ursprünglichen amerikanischen Bedeutung bezieht sich der Ausdruck auf nebeneinander wirkende, ständige und geheime Vereinigungen, die unerlaubte Dienste anbieten (verbotene Glücksspiele, Prostitution, Wucherdarlehen) oder verbotene Waren besorgen (Rauschgifthandel) und ihre Gewinne in unerlaubten Unternehmungen investieren. Der Ausdruck bezeichnet ebenfalls die kriminelle Tätigkeit dieser Vereinigungen.
Im weiteren Sinne kann man unter "Organisiertem Verbrechen" auch die Tätigkeit von spezialisierten Berufsverbrechern verstehen, die für mehr oder minder lange Dauer in einer Gruppe organisiert zusammenarbeiten. (zit. n. LKA NRW Tischvorlage zur 71. Sitzung der AG Kripo am 17./18. September 1975, S. 24)



Hans Joachim Schneider, 1975
Das organisierte Verbrechen ist ein soziales System. Es vollzieht sich in einem Sozialprozeß. Es handelt sich immer um kriminelle Aktivitäten, die von strukturierten Organisationen rational, strategisch und taktisch geplant werden. Diese Aktivitäten sind auf Dauer angelegt und werden beharrlich verfolgt. Die einzelnen Mitglieder der kriminellen Organisation haben sich hoch spezialisiert. Eine bestimmte Rollenverteilung herrscht vor. Bedürfnisse innerhalb der Bevölkerung macht man sich systematisch zunutze. Es werden Verbrechensarten ausgewählt, die in der jeweiligen Gesellschaft bei möglichst hohen Gewinnen möglichst geringe Risiken versprechen. Die Instanzen der sozialen Kontrolle, z.B. Kriminalpolizei und Gerichte, versucht man, systematisch zu neutralisieren. Das geschieht einmal durch die Isolation der Leitung des organisierten Verbrechens von der eigentlichen kriminallen Aktivität. Das wird aber auch durch harte Disziplin mit materiellen, psychischen und symbolischen Bestrafungen und Belohnungen bewirkt. Nicht zuletzt wird versucht, die Behörden zu korrumpieren und regelrechte Öffentlichkeitsarbeit im Dienste des organisierten Verbrechens zu leisten, ohne es allerdings öffentlich als organisiertes Verbrechen zu bezeichnen. (Schneider in: Handwörterbuch der Kriminologie, 3. Bd., Berlin/New York 1975, S. 473f)


Wolfgang Steinke, 1982
Organisiertes Verbrechen ist die kriminelle Tätigkeit von Personengruppen, die mit weit vorausgreifender Planung und arbeitsteilig dauerhaft schwerwiegende Straftaten begehen, um Gewinne zu erzielen, mit denen sie überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten. (Steinke in: Kriminalistik 2/1982, S. 98)


Adelheid Werner, 1982
Ich verstehe unter organisierter Kriminalität zunächst einmal die Ausführung von Straftaten in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mehrerer Personen, wobei die Zusammenarbeit auf einige Dauer angelegt ist.
Diese Definition allein kann natürlich noch nicht befriedigen. Die gemeinschaftliche Tatbegehung durch mehrere Personen ist nichts Neues... Neu ist... die systematische Ausnutzung unserer modernen Infrastruktur durch organisiert handelnde Rechtsbrecher. (Werner in: Kriminalistik 3/1982, S. 131)



ad hoc-Ausschuss des AK II der IMK "Neue Methoden der Verbrechensbekämpfung", 1983
Dabei ist unter organisierter Kriminalität (OK) nicht nur eine mafiaähnliche Parallelgesellschaft i.S. des organized crime zu verstehen, sondern ein arbeitsteiliges, bewußtes und gewolltes, auf Dauer angelegtes Zusammenwirken mehrerer Personen zur Begehung strafbarer Handlungen - häufig unter Ausnutzung moderner Infrastrukturen - mit dem Ziel, möglichst schnell hohe finanzielle Gewinne zu erreichen. (Protokoll der Sitzung des Arbeitskreises II "öffentliche Sicherheit und Ordnung" der Arbeitsgemeinschaft der Innenminister der Bundesländer am 27./28.1.1983 in Eschwege/Hessen in: Strafverteidiger 8/1984, S. 350)


Wolfgang Sielaff, 1983
Organisierte Kriminalität ist eine hochqualifizierte Form der Verbrechensbegehung. Sie ist gekennzeichnet von verschiedenen subtilen Taktiken und Techniken auf Täterseite. Die Taten sind meistens präzise geplant, wobei den Bedrüftnissen des Marktes Rechnung getragen wird. Tatausführung und Beuteverwertung sind hochprofessionell und arbeitsteilig angelegt. Das Täterverhalten orientiert sich an möglihcen staatlichen Verfolgungsstrategien, es ist vielfach äußerst konspirativ, wobei entsprechende Gegentaktiken die Einblicke der Verfolgungsbehörden abwehren sollen. Die Struktur der Täterverbindungen ist teilweise hierarchisch, mindestens bestehen hervorragende kriminelle Geschäftsbeziehungen zu anderen Gruppen. (Sielaff in: Kriminalistik 8-9/1983, S. 418)


Alfred Stümper, 1985
Ich verstehe unter organisierter Kriminalität... ein arbeitsteiliges, bewußtes und gewolltes, auf Dauer angelegtes Zusammenwirken mehrerer Personen zur Begehung strafbarer Handlungen unter Ausnutzung moderner Infrastrukturen mit dem Ziel, möglichst schnell hohe finanzielle Gewinne zu erreichen. Ich verstehe darunter also nicht eine mafiaähnliche Parallelgesellschaft im Sinne des organized crime. (Stümper in: Kriminalistik 1/1985, S. 10)


Hans Fernstädt, 1986
Organisierte Kriminalität im Sinne einer kriminalistisch/kriminologischen Begriffsbestimmung umfaßt Straftaten, die von mehr als zweistufig gegliederten Verbindungen oder von mehreren Gruppen in arbeitsteiligem Zusammenwirken begangen werden, um Gewinne zu erzielen oder Einfluß im öffentlichen Leben zu nehmen. (Fernstädt in: Schwind/Steinhilper/Kube, Organisierte Kriminalität, Heidelberg: Kriminalistik Verlag, 1987, S. 55)


Gerd Boeden, Hans-Werner Hamacher, Alfred Stümper, 1988
Bei der organisierten Kriminalität geht es spezifisch und typisch um gruppenmäßig, banden- oder gewerkschaftsmäßig (syndicated crime) angelegte Verbrechen. Es geht um
- mit wissenschaftlichen Methoden erreichte Perfektion,
- die Perfektion der Observation und Tatvorbereitung
- die Perfektion der Technik bei der Tatbegehung und
- die Perfektion der Logistik
bei diesen arbeitsteilig, berufsmäßig, gruppenmäßig, wissenschaftlich vorbereiteten und durchgeführten Verbrechen.
Organisierte Kriminalität ist im industriellen Zeitalter nicht mehr Verbrechenshandwerk, sondern Verbrechensindustrie. Das Ausmaß der Bemühungen vor, bei und nach den Taten, der erzielte Gewinn und dessen Verwertung entsprechen den Maßstäben der international operierenden Großindustrie.
Organisierte Kriminalität ist daher ein geordnetes Zusammenwirken mehrerer Personen, die auf Dauer direkt oder indirekt geschäftsmäßig durch Beschaffung und Anbieten von gesetzlich verbotenen oder kontrollierten Produkten oder Leistungen, durch illegale Methoden regelmäßig verdeckte Gewinne oder Einfluß in Bereichen des öffentlichen Lebens (Wirtschaft, Verwaltung, Politik) zu erlangen versuchen.
Methoden sind hierbei Ausbeutung, Erpressung, Drohung, Gewalt, Zwangsschutz, Terror, Korruption und aktive Bestechung.
Diesem illegalen Streben kommen Bedürfnisse und Nachfragen der Bevölkerung entgegen (Alkohol, Prostitution, Striptease, Massage, Pornographie, Glücksspiel, Rauschgift, Waffen, Hehlgut, Steuerbetrug), deren Befriedigung entweder gesetzlich untersagt, erschwert oder verteuert ist oder (bei denen) wegen fehlender ausreichender Geldmittel ein legaler Erwerb nicht möglich ist. (zit. in Hans-Werner Hamacher, Deutschland im Visier, Leipzig: Militzke, S. 34)



Wolfgang Sielaff, 1989
Organisierte Kriminalität ist eine hochqualifizierte Form der Verbrechensbegehung, die von verschiedenen subtilen Taktiken und Techniken auf Täterseite gekennzeichnet ist. Die Taten sind meistens präzise geplant und Teile eines Gesamtkonzpetes, wobei den Bedürfnissen des Marktes Rechnung getragen wird. Tatausführung und Beuteverwertung sind hochprofessionell und arbeitsteilig angelegt. Das Täterverhalten orientiert sich an möglihcen staatlichen Strafverfolgungsstrategien. Es ist vielfach äußerst konspirativ, wobei entsprechende Gegentaktiken die Einblicke der Strafverfolgungsbehörden abwehren sollen. Belastungszeugen werden ggf. unter Druck gesetzt. (Sielaff in: Kriminalistik 3/1989, S. 141)


Edwin Kube, 1990
Organisierte Kriminalität (OK) besteht im wesentlichen aus kriminellen Geschäften und auf kriminelles Tun ausgerichteten Geschäftsbeziehungen. (Kube in: Kriminalistik 12/1990, S. 629)


Horst Clages, 1993
Allgemein hat man unter OK die vom Profitstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten zu verstehen, die von mehreren Beteiligten begangen werden, welche wiederum auf längere oder unbestimmte Zeit arbeitsteilig zusammenwirken. Wesentliches Merkmal ist die Erzielung hoher finanzieller Vorteile aus kriminellen Handlungen. Streben nach hohem kriminellem Profit ist geradezu ein Kennzeichen für OK. (Clages in: Kriminalistik 2/1993, S. 111)


Peter Maria Rohe, 1998
Organisierte Kriminalität ist die vornehmlich von Gewinn- oder Machtstreben motivierte systematische Planung und Begehung von Straftaten die einzeln, in ihrer Gesamtheit oder in ihrer gesellschaftlichen Auswirkung von erheblicher Bedeutung sind, sofern mehr als zwei Beteiligte über einen längeren Zeitraum oder auf unbestimmte Dauer organisiert oder arbeitsteilig
a) unter Verwendung gewerblicher, geschäftsähnlicher oder hierarchischer Strukturen,
b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel,
c) unter Verwendung eines organisationsinternen Disziplinierungs- bzw. Sanktionierungssystems,
d) unter Einflußnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft, oder
e) durch Aktivitäten innerhalb der legalen Wirtschaft, die auf dem Einsatz illegal erlangter Vorteile oder sonstigen Manipulationen basieren oder dadurch unterstützt werden,
zusammenwirken. (Rohe, Verdeckte Informationsgewinnung mit technischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, Frankfurt am Main: Lang, 1998, S. 210)



Josef Estermann, 2002
Organisierte Kriminalität ist, was die Behörden als organisierte Kriminalität verfolgen. (Estermann, Organisierte Kriminalität in der Schweiz, Luzern: Orlux, 2002, S. 10)


Bundesrat, Schweiz, 2002
Organisiertes Verbrechen liegt dort vor, wo Organisationen in Annäherung an die Funktionsweise internationaler Unternehmen hochgradig arbeitsteilig, stark abgeschottet, planmässig und auf Dauer angelegt sind und durch Begehung von Delikten sowie durch Teilnahme an der legalen Wirtschaft möglichst hohe Gewinne anstreben. Die Organisation bedient sich dabei der Mittel der Gewalt, Einschüchterung, Einflussnahme auf Politik und Wirtschaft. Sie weist regelmässig einen stark hierarchischen Aufbau auf und verfügt über wirksame Durchsetzungsmechanismen für interne Gruppennormen. Ihre Akteure sind dabei weitgehend austauschbar. (Lage- und Gefährdungsanalyse Schweiz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, Bericht des Bundesrates an das Parlament vom 26. Juni 2002, http://www.admin.ch/ch/d/ff/2003/1832.pdf)


Bundeswehr, Ausbildungshilfe, 2003
Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig Gewalt gegen Personen oder Sachen anwenden. Dabei nutzt sie gewerbliche oder geschäftsähnliche Strukturen und versucht ihre Ziele unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft zu erreichen. Schwerpunkte der organisierten Kriminalität sind Rauschgift-, Menschen- und Waffenhandel sowie Diebstahl, Schmuggel und Prostitution. (General der Infantrie und Kommandeur Infantrieschule Hammelburg, Ausbildungshilfe für die freiwillige Reservistenarbeit im Erweiterten Aufgabenspektrum (EAS), Hammelburg, 2003, S. 4, http://www.rottauer-museum.de/RK_Rottau/Ausbildung/VN_AUSBILDUNGSHILFE.pdf)


Glaeßner/Lorenz, 2005
Organisierte Kriminalität ist ein kriminelles Unternehmen, das rational arbeitet, um von verbotenen Aktivitäten zu profitieren, nach denen eine öffentliche Nachfrage besteht, und dessen kontinuierliche Existenz über die Nutzung von Gewalt, Drohungen und Korruption öffentlicher Entscheidungsträger gewährleistet wird (Gert-Joachim Glaeßner, Astrid Lorenz, Europäisierung der Politik innerer Sicherheit: Konzept und Begrifflichkeiten, in: dies. (Hrsg.), Europäisierung der inneren Sicherheit, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005, S. 14)


Helfrich/Werner, 2015
Unter organisierter Kriminalität versteht man i.d.R. eine auf Dauer angelegte kriminelle Unternehmung mit dem Ziel der systematischen Gewinnerzielung aus illegalen Aktivitäten, deren Existenz durch Gewaltanwendung, Bedrohung, Monopolkontrolle und/oder Korruption abgesichert wird. (Linda Helfrich, Benjamin Werner, Transnationale Organisierte Kriminalität (TOK): Herausforderung für die Entwicklungspolitik. Entwicklung Kompakt, Nr. 30, 20. August 2015)


Rustam Abasov, 2016
Eine durch die Inhaltsanalyse von insgesamt 27 OK-Definitionen russischer Wissenschaftler gewonnene Konsensdefinition lautet wie folgt: Organisierte Kriminalität ist eine soziale Erscheinung, die sich im Funktionieren dauerhafter, hierarchischer krimineller Gruppierungen (Vereinigungen, Organisationen, Gruppen) äußert, welche über ein auf der Korruption basiertes Schutzsystem gegen soziale Kontrolle verfügen und ihrer kriminellen Tätigkeit gewerbsmäßig und in Gewinnerzielungsabsicht nachgehen. (R. Abasov, Organisierte Kriminalität in Russland: Entwicklung und wissenschaftliche Erfassung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Strukturmodelle. Baden-Baden: Nomos, 2016, S. 185)


Marc Schwalbe, 2022
Organisierte Kriminalität bezeichnet die planmäßige und iterative Kollaboration von mindestens zwei Personen zwecks Ausführung strafrechtlich kodifizierter Delikte, welche einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, sofern dadurch Gewinn-, Macht-, oder Reputationssteigerungen intendiert werden und hierbei konspirativ vorgegangen wird.
Terrorismusstraftaten sind von dem Terminus nicht umfasst. (M. Schwalbe, Die Organisierte Kriminalität im 21. Jahrhundert, Frankfurt a.M.: Verlag für Polizeiwissenschaft, 2022, S. 253)





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