Das steinerne Gesicht: Der Pate von Danzig Nikodem Skotarczak
Rixdorf, Werner
Berlin: Karin Kramer Verlag, 1993
167 S.


Gegenstand, Methodik, Datengrundlage:
Eine Biographie des Autoschiebers Nikodem Skotarczak, angereichert mit Schilderungen der kriminellen Szene in der Region Danzig/Gdingen vor und nach dem Fall der Mauer und des Gefängnisalltags in der JVA Tegel in Berlin. Datengrundlage sind Interviews mit Personen aus der näheren und weiteren Umgebung Skotarczaks, amtliche Dokumente und Zeitungsberichte.

Zum Inhalt:
Skotarczak wurde 1954 in Danzig geboren. Seine kriminelle Karriere beginnt er als Dieb, gelangt aber schnell in Kreise, die unter dem Schutz hochrangiger Vertreter des Partei- und Staatsapparats illegale Geschäfte mit Autos, Devisen, Glücksspiel und Prostitution betreiben. So ist Skotarczak schon lange vor Öffnung der Grenzen unter anderem mit dem Absatz im Westen gestohlener Fahrzeuge beschäftigt.
1985 entzieht er sich der Verhaftung, indem er sich nach Deutschland absetzt. Bereits in den 70er Jahren hatte er sich eine Weile in Hamburg aufgehalten, ohne allerdings wesentlich in Erscheinung zu treten. Nach einem missglückten Anschlag auf sein Leben im November 1986 wechselt Skotarczak von Hamburg nach Berlin. Hier baut er einen Autoschieberring auf, der mit der Tankdeckelmethode arbeitet. Dabei werden mit Hilfe der Zylinder von Tankdeckelschlössern Zündschlüssel nachgemacht, die dann zum Autodiebstahl eingesetzt werden.
Im November 1989 wird Skotarczak verhaftet. Im Monat darauf bereits gelingt ihm die Flucht nach Polen, indem er mit seinem Bruder im Besuchsraum der Haftanstalt die Rollen tauscht, der dann zwei Monate unbemerkt für ihn in Tegel einsitzt.
Skotarczak wird dank seiner Flucht aus dem Gefängnis zum Mythos, es gelingt ihm jedoch nicht, sich in der kriminellen Szene Polens erneut zu etablieren. Es finden gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen kriminellen Gruppierungen statt, in denen er sich nicht durchsetzen kann. Im Sommer 1992 ist er gezwungen, wieder selbst als Autodieb zu arbeiten und wird von der Polizei auf frischer Tat vor einem Hotel in Warschau gefasst. Zwar kann er sogleich wieder entkommen. Im Februar 1993 jedoch wird er erneut verhaftet. Bei Fertigstellung des Manuskripts sitzt er immer noch hinter Gittern.

Beurteilung:
Werner Rixdorf ist Vertreter der in Deutschland kaum existierenden Zunft der True-Crime-Autoren, die versuchen, Licht in das Dunkel krimineller Milieus und verbrecherischer Seelen zu bringen. Das ist keine leichte Aufgabe und gelingt nicht immer, denn es ist schwer das Vertrauen derjenigen zu gewinnen, die etwas darüber erzählen können. Rixdorf lässt seine Leser an den Bemühungen teilhaben, "Mauern des Schweigens" zu überwinden, und er scheut sich auch nicht, Seiten mit Randthemen zu füllen, die wohl eher knapp abgehandelt werden würden, hätte er mehr Informationen über den eigentlichen Gegenstand seines Buches zur Verfügung gehabt. Das mag manchen stören. Es ist aber allemal ehrlicher als jene Bücher zum Thema organisierte Kriminalität, in denen mit großen Worten, abgedroschenen Phrasen und unsubstanziierten Vermutungen die Erkenntnislücken hemmungslos gefüllt und übertüncht werden.
Kritikwürdig, weil mitunter wenig glücklich, ist der häufige Wechsel zwischen unterschiedlichen Stilformen, von nüchterner Berichterstattung bis zu romanhaften Dialogen. Letztere klingen wenig authentisch und wirken daher eher störend.

Gesamtbewertung:
Eine interessante, streiflichtartige Schilderung der Entwicklung der sogenannten polnischen Autoschieber-Mafia von ihren Anfängen in den 70er Jahren bis zu den frühen 90er Jahren, allerdings mit stilistischen Mängeln behaftet.


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