Kinderpornografie
Marie-Claire Hesselbarth und Torsten Haag
Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft, 2004
Schriftenreihe des Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung (IPoS) der HfÖV Bremen, Band 1
104 S.

Gegenstand, Methodik, Datengrundlage:
Ein systematischer Überblick über Kinderpornografie anhand der einschlägigen polizeifachlichen und kriminologischen Literatur.

Zum Inhalt:
Kinderpornografie bedeutet die Darstellung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Als Kinder gelten nach deutschem Recht Menschen, die noch keine 14 Jahre alt sind. Grundsätzlich zählt zum sexuellen Missbrauch alles, was gegen den Willen des Kindes geschieht oder dem das Kind aufgrund seiner körperlichen, geistigen, seelischen oder sprachlichen Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Das bloße Fotografieren eines nackten Kindes, das sich in einem natürlichen Bewegungsablauf befindet, ist demnach nicht strafbar. Seit 1993 ist in Deutschland auch der bloße Besitz von Kinderpornografie unter Strafe gestellt.
Die Produktion und der Handel mit Kinderpornografie florieren seit das Medium Video neue Möglichkeiten der Vervielfältigung und Produktion eröffnete. Während der Vertrieb zunächst über verschlüsselte Zeitungsinserate lief, hat er sich in den letzten Jahren mehr und mehr auf das Internet verlagert. Auf der Opferseite sind Mädchen und Jungen gleichermaßen betroffen. Jungen sind im Schnitt jedoch älter als Mädchen. Besonders gefährdet sind Kinder, die keine sichere Bindung zu Eltern oder anderen Vertrauenspersonen haben. Dabei handelt es sich nicht nur um Kinder aus sog. Problemfamilien, sondern auch um Kinder aus besonders wohlhabenden Familien.
Auf der Täterseite werden zumeist zwei Tätertypen unterschieden, Pädosexuelle und sogenannte "Professionelle". "Professionelle" sind zum größten Teil frei von pädosexuellen Neigungen. Es handelt sich um kühl kalkulierende Geschäftsleute, die emotionsloser und brutaler vorgehen. Die professionelle Herstellung von Kinderpornografie steht oft im Zusammenhang mit dem Kinderhandel und der Kinderprostitution und nimmt zunehmend Strukturen der organisierten Kriminalität an. Da die Brutalität oftmals auch in den Filmen nicht vollends kaschiert werden kann und eine bereitwillige Teilnahme von den Kindern in vielen Fällen nicht gut genug gespielt wird, lehnt ein kleiner Teil der Konsumenten diese Filme ab.
Die weitaus größere Gruppe der Täter ist die der Pädosexuellen. Es sind in der Regel unreife Persönlichkeiten. Für sie sind der Konsum von Kinderpornografie die Theorie und der tatsächliche Missbrauch die Praxis, die aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwann folgen wird. Es ist eher selten, dass ein Pädosexueller sich auf lange Sicht mit dem Konsum von Kinderpornos zufrieden gibt.
Pädosexuelle bilden eine öffentlich aktive Szene, die nach innen durch zahlreiche Tauschgeschäfte und die ständige Suche nach Anerkennung aufgrund der Beschaffung besonders "delikater" Bilder und Videos gekennzeichnet ist. Die szeneinterne Kommunikation und der Austausch von kinderpornografischem Material erfolgen im Internet über verschiedene Kanäle, z.B. chats, newgroups, e-mail und Webseiten. In der Regel führen Anbieter von Kinderpornografie bei ihnen noch unbekannten Interessenten eine "Integritätsprüfung" in der Weise durch, dass diese zunächst selbst kinderpornografisches Material zur Verfügung stellen müssen. Dies und die Verwendung verschiedener technischer Mittel, wie der Einsatz von anonymen Remailern, die die Identifizierung von Absendern unmöglich machen, wird die Ermittlungsarbeit der Polizei erheblich erschwert. Die Überprüfung von Webinhalten durch die Polizei ist zudem sehr zeit- und personalintensiv. Allerdings trägt die verdeckte polizeiliche Präsenz zur Verunsicherung der Szene bei.
Kinderpornografie ist eng mit Sextourismus verknüpft. Die in Deutschland angebotenen kinderpornografischen Bilder zeigen zu 80 % den sexuellen Missbrauch thailändischer und philippinischer Kinder durch weiße Touristen. Auch dies stellt die Strafverfolgung vor Probleme. Es müssen international gleiche Voraussetzungen bei der Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern geschaffen werden. Insbesondere muss die Altersgrenze des Status Kind international einheitlich definiert werden.

Beurteilung:
Die Autoren wollen Polizeibeamte und andere Interessierte für das Thema Kinderpornografie sensibilisieren. Dies dürfte mit dieser übersichtlichen Arbeit, die die wichtigsten Aspekte zumindest stichwortartig anspricht, gelingen. Der Leser erhält einen Einblick in die Täter- und Opferseite und insbesondere die Verbreitungsformen via Internet. Hier hilft ein ausführliches Glossar im Anhang, auch die technische Seite zu verstehen. Nicht besonders detailliert ist allerdings die Arbeit der Ermittlungsbehörden dargestellt. Es entsteht der Eindruck, Wissen werde der breiten Öffentlichkeit bewusst vorenthalten und die Ermittlungsmöglichkeiten tendenziell auch etwas pessimistischer eingeschätzt als sie tatsächlich sind. Dies muss wohl, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, hingenommen werden. Bedauerlich ist allerdings, dass die Arbeit weitgehend auf dem Stand von 2001/2002 bleibt und damit die zum Zeitpunkt des Erscheinens erreichte Entwicklung dieses Deliktsfeldes nicht erfasst wird.

Gesamtbewertung:
Insgesamt eine gute Einführung in die Thematik, die auch in den das Internet betreffenden Passagen dank ausführlicher Erläuterungen für den Laien verständlich sind.


Weiterführende Literatur
Gallwitz, Adolf und Manfred Paulus, Grünkram: Die Kinder-Sex-Mafia in Deutschland , Hilden: Verlag Deutsche Polizeiliteratur, 2. Auflage 1998 (siehe Rezension)
Jenkins, Philip, Beyond Tolerance: Child Pornography on the Internet, New York: New York University Press, 2001.
Wuttke, Gisela, Kinderprostitution, Kinderpornographie, Tourismus, Göttingen: Lamuv, 1998.


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